Wofür braucht man einen professionellen Architekturfotografen?
Häuser fotografieren kann doch wohl jeder! Dem ist nicht so! Architekturfotografie ist einer der anspruchsvollsten Teilbereiche der Fotografie. Wer beabsichtigt Architektur fotografieren zu lassen, der muss zuerst die Frage beantworten, welchem Zweck die Architekturfotos dienen sollen:
Architekturfotografie für private Zwecke
Hiermit sind in erster Linie Fotos gemeint, die für das private Familienalbum gedacht sind, z.B. Vorher-Nachher-Aufnahmen bei Umbauarbeiten am eigenen Haus. Aufnahmen, die als Wandschmuck in der Diele aufgehängt werden, oder einfach nur um jemandem zu zeigen wie das eigene Wohnumfeld geschaffen ist. Vielleicht dienen solche Architekturfotos der eigenen Erinnerung, wenn die Immobilie verkauft werden soll. Ebenso können solche Bilder für Zeitungsannoncen verwendet werden.
Architekturfotografie für gewerbliche Zwecke
Hier gibt es eine ganze Reihe denkbarer Verwendungsmöglichkeiten von guter Architekturfotografie. Es beginnt bei der Großaufnahme im Foyer oder Empfangsraum, geht über Firmen- und Produktbroschüren, Webseiten, Exposés bis hin zu Festschriften bei Jubiläen, usw.
Architekturfotografie zur Dokumentation von Stadtentwicklung
Fast täglich begegnen uns Architekturfotos aus der Vergangenheit von Städten. Manche davon sind reine Straßenszenen, andere jedoch sind gestaltete Architekturfotos.
Architekturfotografie als Referenz für Architekten und Ingenieure
Wenn ein neues Haus fertiggestellt ist, benötigt der Architekt auch ein gutes Foto von „seinem“ Bauwerk. Wenn es dem Architekten als Referenz dienen soll, müssen solche Bilder natürlich besonderen Anforderungen entsprechen.
Architekturfotografie für Zeitschriften und Magazine
Kunst-, Kultur- und Fotozeitschriften benötigen auch häufig Fotos von ansprechender Architektur. Wobei es hier meist nicht auf absolute Detailtreue, sondern eher auf Designstudien hinausläuft.
Aus dem Zweck ergibt sich auch schon eine erste grobe Einteilung:
Die dokumentarische Architekturfotografie:
Hauptforderung ist hier die objektive, wertneutrale Wiedergabe eines Gebäudes. Hier muss der Architekturfotograf seine künstlerischen Ambitionen zurückstellen. Diese Form der Architekturfotografie ist bei Berufsfotografen die am häufigsten geforderte Form. Unzulänglichkeiten wie z.B. stürzende Linien haben hier nichts zu suchen. Meist erwarten die Auftraggeber, dass alle Details möglichst naturgetreu wiedergegeben werden. Der natürliche Eindruck, der sich bei Annäherung an das Gebäude ergibt, soll sich im dokumentarischen Architekturfoto wiederspiegeln.
Die interpretierende Architekturfotografie:
Bei dieser Art darf der Architekturfotograf seine subjektive Sichtweise der Architektur in der Fotografie wiedergeben. Die Abbildung der Architektur darf durch die Kreativität des Architekturfotografen ergänzt werden, dennoch muss sie nach wie vor realistisch erkennbar bleiben.
Die subjektive Architekturfotografie:
Hier kann der Fotograf seiner Kreativität freien Lauf lassen. Nur selten handelt es sich hierbei um Auftragsarbeiten. Sowohl dramatische Lichteffekte, wie auch Spiegelungen oder übersteigerte Perspektiven finden hier ihre Anwendung.
Im Laufe der Zeit hat sich die Architekturfotografie zu einer eigenständigen Disziplin der Fotografie entwickelt. Eine der technischen Herausforderungen sind die sogenannten „stürzenden Linien“. Das erfordert eine besondere Fotoausrüstung. Die in der Architekturfotografie verwendeten Objektive sind so konstruiert, dass alle Gegenstände, die parallel zur Filmebene stehen, im gleichen Maßstab abgebildet werden. Wenn jedoch die Filmebene gekippt wird, indem man die Kamera nach oben neigt, entstehen Fluchtlinien, d.h. die Linien laufen scheinbar auf einen Punkt zu. Jeder kennt diesen Effekt von Eisenbahnschienen, die auch scheinbar in der Ferne zusammen laufen. Diese stürzenden Linien vermitteln leider dem Betrachter den Eindruck, als ob das Gebäude nach hinten kippt. In der dokumentarischen Architekturfotografie ist das ein absolutes „NoGo“. Aus diesem Grund wurden in den Anfängen der Fotografie das Genre Architekturfotografie fast ausnahmslos Großbildkameras mit verschwenkbaren Front- und Rückplatten eingesetzt. Obwohl es mittlerweile in der Kleinbildfotografie Tilt- bzw. Shift-Objektive in erstklassiger Qualität zur Verfügung stehen, nutzen immer noch etliche Fotografen Großbildkameras für exklusive Auftragsarbeiten im Bereich der Architekturfotografie.
Fotoamateur oder der Berufsfotograf?
Amateure liefern teilweise außerordentlich gute Fotografien ab. Manche von Ihnen haben ein Qualitätsniveau erreicht, dass sie sich keineswegs hinter professionellen Architekturfotografen verstecken müssen. Manche liefern leider aber auch teilweise das komplette Gegenteil. Nur der Besitz einer Profikamera garantiert noch keine Qualität. Niemand würde ja auch auf die Idee kommen, jemanden zu beauftragen ihm die Haare zu schneiden, nur weil er besonders teure und hochwertige Scheren besitzt. Auch gute Amateure sind es in der Regel nicht gewohnt, streng nach den Vorgaben eines Auftraggebers zu fotografieren. Für einen Profifotografen ist das sein tägliches Brot. Aber auch nicht jeder Berufsfotograf bürgt deshalb für exzellente Leistungen im Bereich der Architekturfotografie. Letztlich gibt es hier - wie fast überall „Spezialisten“, die sowohl über das unbedingt notwendige Equipment, wie auch über einschlägige Erfahrung verfügen. Wer also für sein Gebäude hochwertige Architekturfotos benötigt, weil er damit sich oder seine Firma repräsentieren will, der sollte den Verwendungszweck klar definieren und als Bestandteil der Auftragserteilung machen. Professionelle Architekturfotografen sind gerne bereit ein paar Referenzaufnahmen zu präsentieren.
Die Bedeutung der Architekturfotografie für die Architektur
Die Architekturfotografie ist aus dem Gesamtbereich der Architektur nicht mehr wegzudenken. Wie sonst könnte man geografisch ferne Baukulturen studieren, wenn keine Architekturfotos vorhanden wären. Fernsehen und Video eignen sich oftmals nur sehr bedingt für Detailstudien. Reisen sind sehr zeit- und kostenintensiv und derjenige, der ein fernes Land bereist, um dessen Architektur zu studieren, was macht der selbstverständlich: Architekturfotos!
Architekturfotos in der Aus- und Weiterbildung
In den Architekturbüros dieser Welt gehört die Fotografie fast zum täglichen Handwerk. Bei der Ausbildung zum Architekten oder Bauingenieur ist der Einsatz von Architekturfotos unverzichtbar. Fotos informieren schneller, manchmal auch gründlicher, als Worte dies zu tun vermögen. Bilder sind an keine Sprache gebunden und daher international einsetzbar. Denken Sie nur an Bauwerke der asiatischen Kulturen, deren Bilder sind uns verständlich, Baubeschreibungen in Mandarin für die allerwenigsten von uns. An der rasanten weltweiten Verbreitung baulicher Ideen und Techniken hat die Architekturfotografie erheblichen Anteil.
Architekturfotos in der Kunstgeschichte
Die Fotografie wurde 1822 von Joseph Nicéphore Niépce geboren, als er die ersten Bilder auf Zinnplatten erzeugte. Louis Jacques Mandé Daguerre schuf 1839 die Entwicklung und Hannibal Goodwin erfand 1887 den Zelluloidfilm. Anhand dieser Jahreszahlen wird deutlich, dass die Fotografie menschheitsgeschichtlich ein recht neues Verfahren ist. Wieviel einfacher wäre die Erforschung altertümlicher Baukunst, wenn es vor rund 4500 Jahren schon die Fotografie gegeben hätte. Der Bau der Cheops-Pyramiden wäre sicherlich fotografisch dokumentiert worden. Auch die Baukultur der Griechen und Römer wäre uns sicherlich einfacher erschlossen worden. Aber ein aktuelleres Beispiel ist da sicherlich der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden. Die davon vorhandenen Fotografien haben die Rekonstruktion zumindest erleichtert, wenn nicht gar überhaupt erst möglich gemacht.
Architekturfotografie als Beweismittel für Bauschäden
Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Architekturfotografie! Vielleicht sind mittlerweile sogar Bauschäden die am häufigsten geschossenen Architekturfotos. Als Beweismittel in gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen spielt das Architekturfoto meist eine zentrale Rolle.
Ausrüstung für die Architekturfotografie:
Wie immer bestimmt natürlich die Aufgabenstellung in der Architekturfotografie Art und Umfang der erforderlichen Fotoausrüstung. Vom Berufsfotografen wird verlangt, dass für jeden Auftrag das passende Equipment zur Verfügung steht. Professionelle Architekturfotografie beginnt beim Mittelformat. Aber es kommt auch vermehrt zum Einsatz der sehr viel schwerer händelbaren Großformatkamera. Kleinbild-Spiegelreflexsysteme sind eher die Ausnahme!
Analog oder Digital
Während im Amateur-Bereich und in der Reportage-Fotografie die Digitaltechnik analoge Kameras weitgehend abgelöst hat, regiert in der Architekturfotografie immer noch Analog. Die erlesene Qualität eines Großformatbildes ist bis heute unerreicht. Selbst digitale Kamerabacks von Mittelformatkameras mit mehr als 45 Megapixeln reicht da (noch!?) nicht heran.
Die Basisausrüstung
Unabhängig davon, welches Kameraformat eingesetzt wird, benötigt man ein stabiles Stativ mit hochwertigem Stativkopf. Eine Wasserwaage zur waagerechten Ausrichtung sollte fester Bestandteil des Stativkopfes sein. Das Stativ muss in der Lage sein, Kamera, Objektiv, Blitz und zur Beschwerung ein zusätzliches Gewicht zu tragen. Ein solches Zusatzgewicht ist bei Außenaufnahmen schon bei leichtem Wind von unschätzbarem Wert. Für Mittelformat und Kleinbild-Format sind zusätzlich Tilt- bzw. Shift-Objektive unterschiedlicher Brennweite erforderlich. Großformatkameras haben verschwenkbare Rückteile und somit sind diese Spezialobjektive hier nicht erforderlich. Auch wenn heute alle modernen Kamerasysteme über interne Belichtungsmesssysteme guter Qualität verfügen, ist ein hochwertiger Belichtungsmesser, der sowohl die Objekt-, wie auch die Lichtmessung beherrscht von großem Vorteil.
Architekturfotografie aus technisch-wissenschaftlicher Sicht:
Architekturfotos, die speziell für technische oder wissenschaftliche Zwecke, z.B. für Auswertungen, angefertigt werden, unterliegen ganz besonderen Anforderungen:
Schärfe und Tiefenschärfe
Die Architekturfotos müssen sowohl in der Punktschärfe, wie auch in der Tiefenschärfe absolut scharf sein. Insbesondere, wenn das Architekturfoto das zu begutachtende Objekt ersetzt, müssen alle Details erkennbar sein. Häufig werden großformatige Abzüge eingesetzt, aber auch Ausschnittvergrößerungen verlangen nach kompromissloser Schärfe.
Proportionen müssen richtig wiedergegeben werden
Eine sorgfältige Auswinkelung ist für den Architekturfotografen absolute Pflicht, damit keine Höhenperspektive auftritt! Die verwendete Brennweite soll nicht erheblich von der Formatdiagonalen abweichen.
Aufnahmedaten des Architekturfotos
Die Aufnahmedaten sind bei der Auswertung von enormer Bedeutung. Dazu gehören neben den reinen Kameradaten (in der Digitalfotografie die Exif-Daten) auch Tageszeit, Himmelsrichtung und ggf. eine Standortskizze.
Farbgetreue Wiedergabe
Zur farbgetreuen Wiedergabe gehört eine exakte Belichtung, Farbtemperaturmessung und Neutralfilterung. Bei Digitalkameras ist ein exakter Weißabgleich unabdingbar.
Besonderheiten bei Bilderserien
Damit vergleichende Auswertung von Bilderserien möglich wird, sind absolut einheitliche Aufnahmebedingungen einzuhalten. Gleichbleibende Ausleuchtung in Stärke und Richtung muss gewährleistet sein. Brennweite und Abstand sollten von Bild zu Bild gleich sein. Aufnahmeabstand und Brennweite müssen festgehalten werden, damit die Größe der Objekte nachträglich rekonstruiert werden können. Ein am Bildrand platziertes Zentimetermaß hilft im Nachhinein bei der Größenbestimmung.